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Leben mit Endometriose

  • Vicky Lardschneider
  • 31. Jan. 2022
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Feb. 2023


Schon wieder ein Tag, an dem ich kurzfristig einem guten Freund das Mittagessen absagen muss. Endometriose ist nicht nur körperlich sehr belastend, sondern auch psychisch und sozial. Als Betroffene habe ich das Gefühl, je mehr Menschen im Umkreis aber auch in unserer Gesellschaft davon wissen, desto leichter ist es damit zu leben. Seit ich 11 Jahre alt bin lebe ich mit, bzw. ein Großteil der Zeit eher gegen meine Endometriose. Nach 2 Klinikbesuchen in Spezialisierten Endometriosezentren vor kurzem hat sich meine Ansicht nochmal komplett auf den Kopf gestellt und es liegt mir sehr am Herzen darüber zu schreiben. Endometriose verhält sich sehr individuell und ich spreche im folgenden Text nur von meiner persönlichen Erfahrung, die nicht auf jede Frau projiziert werden kann. Das Thema ist sehr komplex, aber ich versuche es möglichst knapp und verständlich zu halten, v.a. für all diejenigen, die keine Endometriose haben oder am Anfang ihres Weges stehen.

Was ist diese Endometriose?


Bei Endometriose befinden Sich Gebärmutterschleimhaut ähnliche Zellen außerhalb der Gebärmutter, im Bauchraum. Diese Endometriosezellen sind Entzündungsherde im Bauchraum und sorgen für heftigste Schmerzen, können zu Unfruchtbarkeit führen und sich an Organen ansammeln (meist Blase, Darm, Eierstöcke, Nebennieren, seltener auch Lunge, etc.), was wiederum zur Organschäden führen kann. Endometriose ist eine „Hormonstörung“ mit Östrogenüberschuss. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch ist die Belastung enorm. In der Medizin gilt diese Krankheit als nicht heilbar, was die ganze Geschichte noch komplizierter macht. Das Chamäleon der Gynäkologie: Bis heute weiß noch niemand genau, woher die Krankheit kommt, was genau dabei hilft und wie man damit umgehen soll. Bei jeder Frau verhält sich die Krankheit unterschiedlich und gerade deshalb ist es so schwer eine Lösung X zu finden. Im Regel dauert es 6-15 Jahre bis eine Frau die Diagnose erhält. Viele, darunter auch Frauenärzte kennen sich gar nicht oder nur kaum mit Endometriose aus.

Wie also soll man mit einer Krankheit umgehen, die nicht heilbar ist, bei jeder Frau anders vorkommt, kaum sichtbar ist, schwer zu diagnostizieren ist, man nicht weiß woher die Krankheit kommt, was sie verstärkt oder abschwächt und jede Therapiemöglichkeit nur eine Art „Stilllegen“ der Endometriose ist, die bei jeder Frau unterschiedlich gut oder auch gar nicht funktioniert. Das ist also Endometriose und ich selbst habe erst vor 3-4 Jahren von der Krankheit gehört. Keine meiner Frauenärzte (ich habe viel gewechselt und viel gesucht) hat auch nur einmal dieses Thema erwähnt, obwohl jede von all meinen Symptomen und Problemen wusste. Mir selbst war schon immer bewusst, dass monatlich 5 Fehltage in der Schule, Krämpfe die mich in Ohnmacht und Trance versetzen, zum Weinen und Schreien bringen, wöchentliche Migräneanfälle mit Aura,etc. definitiv keine „normalen“ Regelschmerzen sein können. Doch da die Menstruation nach wie vor ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft ist und Gynäkologen in meiner Erfahrung meist weniger - wenn überhaupt etwas – über Endometriose wissen, steht man damit doch sehr alleine da. Nun nach 16 Jahren enormen Leidensdruck verlässt mich meine Kraft die monatlichen Schmerzen und Einschränkungen im Sozialleben auszuhalten und so habe ich intensiv 2020 angefangen das Thema anzugehen und für mich eine Lösung zu suchen. Im Januar 2021 habe ich endlich eine Frauenärztin gefunden, die mich ernst nimmt, sich mit Endometriose auskennt und bereit ist mich zu unterstützen bei jedem Weg, der sich für mich stimmig anfühlt. Denn was ich mit meiner Krankheit gelernt habe, ist, dass ich kein Medizinstudium brauche, um meinen Körper und seine Abläufe zu verstehen. Um zu spüren, was mir gut tut und was nicht und um auf die Zeichen innerlich und äußerlich (Ausschläge,etc.) zu hören. Das Thema Endometriose hat sehr viel mit Eigenverantwortung zu tun. Denn was definitiv keine Besserung beiträgt ist die Idee damit zum Arzt zu gehen, die Verantwortung abzulegen und ihn/sie machen zu lassen. Und so fange ich auch hier an meine Endometriose als Freundin anstatt als Feindin zu sehen. Sie wahrzunehmen und auf sie zu hören, indem ich durch Austausch mit anderen Betroffenen, Beratern in verschiedensten Bereichen und meiner Intuition Wege finden, die mein Leben mit der Endometriose erleichtern.

Diagnose und Behandlung: Es gibt viele Symptome und Anzeichen, die sehr schnell und klar auf eine Endometriose hinweisen. Z.B. starke Unterleibsschmerzen, extrem aufgeblähter Bauch, Ohnmacht durch starke Schmerzen, Schlafstörungen, Erschöpfung, Huftschmerzen, Schmerzen in den Beinen, Nervenschmerzen (Ischias), Schmerzen beim Sex, Atemprobleme, unregelmäßiger Zyklus, uvm. In Endometriosezentren (sagen wir es so, es gibt Gute und welche die man meiden sollte) werden durch Tasten und Ultraschall weitere „Verdachtsdiagnosen“ gestellt. Wenn man „Glück“ hat sieht man im Ultraschall, Zysten, viel freie Flüssigkeit, Verklebungen, etc., allerdings ist das gerade bei jungen Frauen sehr schwer zu sehen. Die 100%ige Diagnose gibt es nur durch eine Bauchspiegelung durch eine Gewebeprobe. Es gibt 3 Behandlungstherapien:

1. Laparoskopie (Bauchspiegelung) Bei der Bauchspiegelung wird dann gleich die OP durchgeführt. Hierbei kommen 2-4 zusätzliche Schnitte in den Unterbauch für die Instrumente und die Herde werden verödet oder weggeschnitten. Hierbei muss jeder Entzündungsherd erwischt werden, um eine effektive Wirkung zu haben, was gar nicht so einfach ist, da die sehr oft sehr versteckt und es an der Zahl oft viele und sehr verstreute Herde sind. Die weiteren Details erspare ich dir jetzt. Doch auch nach einer OP hat man im Glücksfall nur 5-7 Jahre Ruhe. Viele Frauen haben nach einigen Monaten wieder so starke, oder sogar schlimmere Schmerzen, sodass sie im Alter von 30 teilweise schon 7-8 OPs hinter sich haben und jetzt durch innere Narben, Nervenverletzungen, etc. mehr Probleme haben als zuvor. Natürlich kann man auch zu den Glücklichen zählen und hat 10 Jahre ein schmerzfreies Leben – das wäre natürlich der Traum. 2. Hormontherapie Oft auch in Kombination mit der OP. Hierbei gibt man entweder im Langzeitzyklus die Anti-Baby-Pille oder die GnRH-Analoga, welche den Körper frühzeitig in die Wechseljahre versetzt. Die Nebenwirkungen hierbei sind noch schlimmer, als bei jeglichen anderen Hormonpräparaten. Wichtig zu wissen ist, dass diese Hormonpräparate nur dann wirken können, wenn man in den Endometrioseherden auch Hormonrezeptoren hat woe diese andocken können, was häufig nicht der Fall ist. 3. Komplementäre Medizin Hier gibt es unfassbar viele Möglichkeiten, die jede für sich selbst probieren muss um zu schauen, mit was man zurecht kommt und was Erleichterung bringt. Möglichkeiten hierbei sind TCM, Osteopathie, Pflanzliche Ernährung, Mikronährstoff Zugabe, traditionelle Frauenmassage, bestimmte entzündungshemmende Kräuter als Teemischungen, Yoga, Ayurveda, Physiotherapie, Psychotherapie, Traumatherapie, naturidentische Hormone, Impuls-Ströme, Aromatherapie, Osteopathie, Rolfing, Atemtechniken,etc. 4. Schmerztherapie Um die Schmerzen auszuhalten, kann man auch hier Therapien finden und Schmerzmittel nehmen. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Körper auf Dauer diese Starken Schmerzmittel auch nicht akzeptieren wird und aushalten kann und sich früher oder später mit Magenschleimhautentzündungen, allergischen Reaktionen, etc. melden wird. Und wenn man weiß, die Schmerztage kommen, aber die Schmerztabletten gehen nicht mehr, dann weiß ich von mir selbst, ist die Angst vor den Schmerzen oft schlimmer als die Schmerzen selbst.


Dein Körper, deine Gesundheit, deine Entscheidung. Es gibt kein Handbuch für Endometriose.


Nach 16 Jahren Leidensweg, bin ich es wortwörtlich Leid. Für mich kommt aufgrund der oben aufgeführten Gründe weder die Hormontherapie noch die OP derzeit in Frage, weshalb ich angefangen habe mir Berater zu suchen, die in diesem Bereich spezialisiert sind und schaue für mich selbst, was verringert die Schmerzen und bringt mir wieder mehr Lebensqualität zurück. Die Schmerzen daheim sind das eine, aber immer Treffen abzusagen, sich psychischen Stress zu machen mit Urlaub, Terminen, das ganze Leben nach den Schmerztagen auszurichten sind einfach sehr belastend und es tut richtig gut, diesen Beitrag mal zu schreiben. Mein enges Umfeld, weiß natürlich teils davon, aber meine Vision mit 2-3 Beiträgen darüber ist es, mehr Bewusstsein dafür zu schaffen und hfftl anderen Frauen einen langen Leidensweg zu ersparen und getestete Möglichkeiten der Besserung an die Hand zu geben. Ich werde noch einen weiteren Blogpost verfassen mit alternativen Wegen, die mir helfen, wieso sie helfen könnten, was zu meiden gilt und was eventuell bei mir persönlich auch nicht geholfen hat. Mein Endometriose Wissen habe ich mir komplett selbst angeeignet, durch Bücher, Austausch mit Betroffenen, Artikeln, Studien, etc. in den letzten 2 Jahren. Und ohne dieses Wissen, wäre ich ganz schön überfordert aus den zwei Endometriosekliniken rausgegangen – nein nicht überfordert, ich wäre FIX UND FERTIG gewesen! Nach 20 Minuten (Gespräch und Untersuchung), fühlte ich mich alles andere als aufgeklärt und verstanden. Leider kam mir keiner der Ärzte (Außer meine neue Frauenärztin, die ich nie wieder ab jetzt wechseln werde) entgegen mit Erfahrungen, Ratschlägen oder ähnlichem mit anderen Behandlungswegen. Natürlich weiß ich, dass sie am Ende Allgemeinmedizin gelernt haben und das ihr Bereich ist. Aber bei einem Thema wie Endometriose, bei dem es eben keine „Heilung“ gibt und keinen Plan A, die Ausmaße bei jeder Frau so unterschiedlich sind, erwarte ich mir von einem Spezialisten in dem Bereich auch, dass er zumindest auf individuelle Möglichkeiten eingeht. Selbstverantwortung übernehmen. Denn niemandem ist deine Besserung und Gesundheit so wichtig, wie dir selbst. Aus diesem Grund wird auch niemand so viel dafür tun, wie du selbst. Es ist so wichtig den Zeichen des eigenen Körpers zu folgen und mutig zu sein, Nein zu Dingen zu sagen, die sich nicht richtig für sich selbst in dem jetzigen Moment anfühlen.

Lieben Dank fürs Lesen. Vicky


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